Die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) dient dazu, Einnahmen und Ausgaben in dem Jahr auszuweisen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Es stellt sich aber die Frage, ob sämtliche Kleinbeträge für Versicherungen und Steuern abzugrenzen sind. Eine Kleinbetragsregelung kann helfen, die Jahresabschlussarbeiten in diesem Punkt zu vereinfachen. Lesen Sie, wie Sie Rechnungsabgrenzungen praktisch handhaben.
Nach § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB sind Aufwendungen und Erträge unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung im Geschäftsjahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu berücksichtigen (= periodengerechte Gewinnermittlung). Fallen Zahlung und wirtschaftliche Zugehörigkeit in unterschiedliche Wirtschaftsjahre, muss eine Abgrenzung der Aufwendungen und Erträge erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden, ob bereits eine Zahlung erfolgt ist oder nicht. Ist noch kein Geld geflossen, erfolgt die Abgrenzung über die Konten „Sonstige Forderungen“ und „Sonstige Verbindlichkeiten“. Ist bereits ein Zufluss oder Abfluss erfolgt, sind ggf. aktive oder passive RAP (aRAP, pRAP) auszuweisen.
Nach § 250 Abs. 1 HGB und § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist ein aRAP zu bilden für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen.
Nach § 250 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist ein pRAP zu bilden für Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Unter „bestimmte Zeit“ ist dabei ein Zeitraum zu verstehen, der rechnerisch ermittelbar ist, z.B. monatlich, vierteljährlich oder halbjährlich (H 5.6 EStH „Bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag“. Lässt sich der Zeitraum nur schätzen, liegt keine bestimmte Zeit i.S.d. § 5 EStG vor (z.B. bei einer Werbeaktion => Wirkung auf Kunden lässt sich nicht genau bestimmen).
RAP sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen von Relevanz, z.B. Miete, Pacht, Leasingvorauszahlungen, Erbbauzinsvorauszahlungen, Verzinsung, Disagio (Damnum), Versicherungsvorauszahlungen.
Sachverhalt | Zahlung | vor dem 31.12.2019 (lfd. Jahr) | ab dem 01.01.2020 (Folgejahr) | Bilanzposten |
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Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen/ Dauersachverhalten | im Voraus bezahlt | Ausgabe | Aufwand | aRAP |
im Voraus bezahlt | Einnahme | Ertrag | pRAP | |
noch nicht bezahlt | Aufwand | Ausgabe | Sonst. Verb. | |
noch nicht bezahlt | Ertrag | Einnahme | Sonst. Ford. |
| HGB | EStG |
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aRAP | § 250 Abs. 1 HGB | § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG |
pRAP | § 250 Abs. 2 HGB | § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG |
Differenz zwischen Erfüllungsbetrag und Auszahlungsbetrag bei Darlehen (Disagio) | § 250 Abs. 3 HGB (Aktivierungswahlrecht)
| § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (Aktivierungsgebot) |
Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht ein abschließendes Aktivierungsgebot für aRAP, der Mandant hat insoweit kein Wahlrecht. Nach Auffassung des BFH ermöglicht aber der Grundsatz der Wesentlichkeit, unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen. Daher könne der Mandant in Fällen von geringer Bedeutung auf eine genaue Abgrenzung verzichten. Dies wird damit begründet, dass beim Ansatz von RAP auch die Grundsätze der angemessenen Vereinfachung der Buchführung zu beachten sind. Geringfügige Ausgaben seien Beträge, die bei der Verteilung auf künftige Wirtschaftsjahre das Ergebnis nur unwesentlich berührten. Zudem verzichte neben dem HGB auch das Einkommensteuerrecht in bestimmten Fällen auf einen periodengerechten Ausweis (BFH, Beschl. v. 18.03.2010 – X R 20/09).
Für die Frage, wann ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, orientiert sich das FG Baden-Württemberg an der Grenze des § 6 Abs. 2 EStG (FG Baden-Württemberg, Urt. v. 02.03.2018 – 5 K 548/17 und v. 08.11.2019 – 5 K 1626/19).
Gegen die Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 02.03.2018 wurde zunächst Revision eingelegt, welche vom BFH aber als unzulässig verworfen wurde (Az. beim BFH: X R 14/18). Eine erneute Revisionszulassung erfolgte mit der Entscheidung des FG vom 08.11.2019, welche auch eingelegt wurde (Az. beim BFH: X R 34/19).
Hierzu ist anzumerken, dass ein anderer Senat des BFH evtl. eine abweichende Auffassung vertritt (BFH, Urt. v. 19.05.2010 – I R 65/09). Danach ist für in einem Wirtschaftsjahr gezahlte KFZ-Steuer – auch bei geringfügigen Beträgen – ein RAP zu aktivieren, soweit die Steuer auf die voraussichtliche Zulassungszeit des Fahrzeugs im nachfolgenden Wirtschaftsjahr entfällt. Dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung. Daher sollte in vergleichbaren Fällen Einspruch eingelegt werden, bis der BFH entschieden hat.