Nach wie vor gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, ein elektronisches Aufzeichnungssystem zur Aufzeichnung von (Bar-)Geschäftsvorfällen zu nutzen. Die Form der Kassenführung können die Mandanten weiterhin selbst bestimmen. Gerade in Zeiten, in denen die technischen Anforderungen an EDV-Kassensysteme stetig steigen, wählen viele kleinere Unternehmen bewusst die offene Ladenkasse. Lesen Sie hier, welche Regeln für die Kassenführung zu beachten sind und welche Fehler häufig gemacht werden.
Auch bei der Kassenführung mittels offener Ladenkasse gilt, dass die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen sind (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO).
Kasseneinnahmen und Kassenausgaben müssen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO), und zwar unmittelbar nach Entstehung des Geschäftsvorfalls. Die Kassenaufzeichnungen dürfen keinesfalls am Ende der Woche oder des Monats, z.B. von den Mitarbeitern des Steuerberaters im Rahmen der Buchführungsarbeiten, erstellt werden.
Ein sachverständiger Dritter muss jederzeit, z.B. im Rahmen einer Kassen-Nachschau, in der Lage sein, den Sollbestand laut (Kassen-)Aufzeichnungen – also nach dem Kassenbuch oder den Kassenberichten – mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (Prüfung der Kassensturzfähigkeit).
Ausnahmsweise können Eintragungen im Kassenbericht noch am nächsten Geschäftstag vorgenommen werden, wenn zwingende geschäftliche Gründe einer Buchung am gleichen Tag entgegenstehen und aus den Buchungsunterlagen, z.B. Zwischenaufzeichnungen, sicher entnommen werden kann, wie sich der sollmäßige Kassenbestand seit dem Beginn des vorangegangenen Geschäftstages entwickelt hat.
Bilanzierende Mandanten mit Bargeschäften und Kassenführung mittels „offener Ladenkasse“ sind verpflichtet, ein Kassenbuch (auch in Form aneinandergereihter, retrograd aufgebauter Kassenberichte; siehe unten) zu führen, in dem sie grundsätzlich die Geschäftsvorfälle einzeln handschriftlich festhalten.
Die Berechnung der Tageseinnahmen bei Nutzung retrograd aufgebauter Kassenberichte sieht wie folgt aus:
| gezählter Kassenbestand bei Geschäftsschluss |
+ | Barausgaben |
+ | private Barentnahmen |
+ | sonstige Ausgaben |
./. | Kassenbestand am Vortag |
= | Kasseneingang |
./. | Bareinlagen (durch Eigenbeleg nachgewiesen) |
./. | sonstige Einnahmen (Geldtransit) |
= | Tageslosung = Tageseinnahmen |
Bei Anwendung der Kassenführung mittels offener Ladenkasse muss somit grundsätzlich täglich zum Geschäftsschluss der Inhalt der Kasse exakt gezählt werden. Dies umfasst sowohl Geldscheine als auch Münzgeld. Das bedeutet: Auch 1-, 2- und 5-Cent-Münzen sowie der Wechselgeldbestand müssen gezählt werden.
Beachte
Im Kassenbuch bzw. –bericht dürfen nur Bareinnahmen und Barausgaben aufgezeichnet werden. Somit ist eine zusätzliche Dokumentation von unbaren Zahlungsarten (EC-, Kredit- oder Debitorenkarten) zwingend erforderlich.
Auch Zahlungen mittels Scheck oder Fremdwährungen müssen gesondert aufgezeichnet werden.
Das Thema „Zählprotokolle“ dürfte in der Praxis der Betriebsprüfungen keine Rolle mehr spielen. Mittlerweile wurde mehrfach klargestellt (u.a. BFH, Urt. v. 20.03.2017 – X R 11/16; BFH, Beschl. v. 16.12.2016 – X B 41/16), dass Zählprotokolle nicht geführt werden müssen. Sie erleichtern jedoch den Nachweis des tatsächlichen Auszählens (Indizwirkung).
Beachte
Zu beachten ist auch die getrennte Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen mit unterschiedlichen Steuersätzen.
Werden die Bareinnahmen einer offenen Ladenkasse erfasst, so erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist (BFH, Beschl. v. 16.12.2016 – X B 41/16).
Beachte
Werden im Kassenbuch bzw. Kassenbericht nur Summen eingetragen, müssen sich diese (z.B. durch fortlaufend nummerierte Quittungen der einzelnen Geschäftsvorfälle) nachvollziehen lassen.
Mandanten, die
verkaufen und denen nicht zugemutet werden kann, Einzelaufzeichnungen zu führen, müssen zwingend eine summarische Ermittlung der Einnahmen am Ende des Tages mittels retrograd aufgebautem Kassenbericht vornehmen.
Beachte
Von einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl nichtbekannter Personen ist auszugehen, wenn nach der typisierenden Art des Geschäftsbetriebs Barverkäufe an namentlich nichtbekannte Kunden getätigt werden (vgl. BFH, Urt. v. 12.05.1966 – IV 472/60 und Urt. v. 16.12.2014 – X R 29/13). Dies setzt voraus, dass die Identität der Käufer für die Geschäftsvorfälle regelmäßig nicht von Bedeutung ist. Unschädlich ist, wenn der Verkäufer aufgrund außerbetrieblicher Gründe tatsächlich viele seiner Kunden namentlich kennt.
Diese aneinandergereihten, fortlaufend nummerierten Kassenberichte stellen dann das Kassenbuch dar.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 3 AO müssen Einzelaufzeichnungen nicht geführt werden, wenn Waren an eine Vielzahl von nichtbekannten Personen bar verkauft werden und Einzelaufzeichnungen nicht zumutbar sind. Die Unzumutbarkeit ist nur dann gegeben, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die Geschäftsvorfälle einzeln aufzuzeichnen.
Beachte
Das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen müssen die Mandanten gegenüber dem Finanzamt nachweisen!
Die folgende Auflistung zeigt mögliche Argumente und wie die Finanzverwaltung darauf reagieren könnte.
Vergleichen Sie den Betrieb der Mandanten mit Betrieben gleicher Art und Betriebsgröße. Vielleicht gibt es in dieser Branche andere Betriebe, die ebenfalls eine offene Ladenkasse führen und schon einmal die Unzumutbarkeit der Einzelaufzeichnungspflicht gegenüber den Finanzbehörden nachgewiesen haben. Bei diesen Fällen können Sie Argumente finden, die das Finanzamt akzeptiert.
Gerade bei technischen Argumenten gegen ein elektronisches Aufzeichnungssystem hat das Finanzamt aber häufig Gegenargumente parat. Darauf sollten Sie vorbereitet sein:
Begründung | Gegenargument |
---|---|
Das System ist auf Stromanschlüsse angewiesen (z.B. Marktbeschicker). | Denken Sie daran, es gibt auch elektronische Aufzeichnungssysteme, die mit Akkus (App-Lösungen mit integriertem Drucker) arbeiten. |
Kassenbetreiber sind wechselnden Wetterbedingungen (Sonne, Regen, Schnee) ausgesetzt sind. | Auch hier gibt es praktische Lösungen: Kassensysteme, die staub- und spritzwassergeschützt sind und auch noch bei Temperaturen von -20 oC bis +50 oC einwandfrei arbeiten. |
Eine mobile Internetverbindung ist erforderlich, die aber nicht zur Verfügung steht. | Bei den elektronischen Aufzeichnungssystemen gibt es auch W-LAN-Lösungen. |
Die Anschaffung von einem elektronischen Aufzeichnungssystem ist zu teuer. Auch die damit zusammenhängenden Reparatur- und Wartungskosten sowie bei einigen elektronischen Aufzeichnungssystemen anfallende Eichkosten (z.B. bei elektronischen Waagen) sind den Mandanten zu hoch.
Eine Argumentation über die Kostenschiene führt erfahrungsgemäß nur selten zum Erfolg. Es sind auch preisgünstige Lösungen (Billigkassen, Leasingkassen etc.) erhältlich, die auch bei schwacher Ertragslage genutzt werden könnten.
Beispiel:
Auch ein Riesenradbetreiber auf der Kirmes kann ein elektronisches Aufzeichnungssystem nutzen. Die vorprogrammierten Fahrchips (Einzelfahrt, Familienticket, Seniorenticket etc.) lassen sich ohne große Probleme in jedes elektronische Aufzeichnungssystem einprogrammieren. Dies hätte sogar eine Zeitersparnis zur Folge.
In der Praxis der Betriebsprüfung findet man selten Fälle, in denen die Kassenführung mittels offener Ladenkasse ohne Mängel ist.
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